Von Antonia Ametsbichler, Hannah Bakr, Alisia Beck, Karla Draser, Michael Luginger
Versicherungen – ein Thema das nicht oft mit Nachhaltigkeit in Verbindung gebracht wird. Und doch klärte Prof. Dr. Christine Süß-Gebhard, Professorin der Fakultät Informatik & Mathematik, im Rahmen der Ringvorlesung „Interdisziplinäre Facetten der Nachhaltigkeit“ darüber auf, dass die beiden Themen so einiges verbindet. Am 02.06.2021 hielt sie ihren Vortrag über Nachhaltigkeit in der Versicherungsbranche, ein komplexes und weitläufiges Feld, bei dem sie sich innerhalb der Veranstaltung auf Individualversicherung fokussierte (z.B. Lebensversicherung). Als Frauenbeauftragte der OTH ist Prof. Dr. Süß-Gebhard Mitglied der Hochschulleitung und zuständig für Fragen der Gender & Diversity-Thematik.
Fast jeder Mensch kommt in seinem Leben mit Versicherungen in Berührung. Doch was ist eine Versicherung eigentlich? Prof. Dr. Süß-Gebhard definiert sie als Risikotransfer, denn die Versicherer übernehmen das Risiko der Versicherungsnehmer*innen, bei Eintritt eines Versicherungsfalls die Leistung zu erbringen (i.d.R. als Geldbetrag). Die Vereinbarung zwischen den beiden, der Versicherungsvertrag, definiert sich dabei als Produkt des Versicherungsunternehmens.
Doch was hat das mit Nachhaltigkeit zu tun? Dies lässt sich anhand eines Beispiels erklären, der Lebensversicherung. Da bei Vertragsabschluss unklar ist, wie viele Jahre die Versicherung laufen wird, errechnet sich die Versicherungsprämie auf Basis des sog. „erwarteten Barwerts“ der Versicherungsleistung. Dieser Barwert wird u.a. durch die Wahrscheinlichkeit für die Versicherungsleistung ermittelt, also beispielsweise durch die Sterbewahrscheinlichkeit. Gesetzlich sind Versicherer dazu verpflichtet, diese Prämien so zu kalkulieren, dass sie ausreichende Deckungsrückstellungen bilden, um im Zweifelsfall allen Verpflichtungen nachkommen zu können. Durch diese Verpflichtung zur Vorsicht, integriert das Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) Nachhaltigkeit in den Versicherungsvertrag. Kurz: „Nachhaltigkeit gehört zum Kern von Versicherern. Sie ist ihr Geschäftsmodell.“
Ein weiterer Aspekt, den Prof. Dr. Süß-Gebhard in ihrem Vortrag vorstellt, ist die Nachhaltigkeit der Versicherungsunternehmen. Letztendlich sind Versicherungsunternehmen genau das – Unternehmen. Firmen also, die auf ein gutes Image angewiesen sind. Auf den Websites der Versicherungsfirmen, findet man dementsprechend viel Information über deren Beitrag zu den drei Nachhaltigkeitspfeilern: Soziales, Ökologie, Ökonomie. Nachhaltigkeit wird dabei zum Marketingthema, oft liegt der Fokus auf einer enkelgerechten Zukunft, unternehmerischer Transparenz, Korruptionsbekämpfung und nachhaltigen Kapitalanlagen. Auch wenn Studien zeigen, dass dies bei den Kund*innen noch nicht allzu sehr in den Fokus gerückt ist, wird viel mit damit geworben. So gibt beispielsweise ein Versicherungsanbieter an, hohe Summen in nachhaltige Projekte und Anlagen zu investieren. Ein Blick in die Zahlen verrät jedoch: im Vergleich zu den gesamten Investition des Unternehmens, ist der nachhaltige Anteil verschwindend gering.
Die rechtlichen Rahmenbedingungen für Versicherungsunternehmen sind geprägt von dem Solvency II, einer EU-Richtlinie, die als Drei-Säulen-Modell die Anforderungen an Versicherungsunternehmen zusammenfasst. Erst 2021 wurde sie verschärft, nachhaltige Risiken („sustainability risks“) müssen seitdem in die Tätigkeit des Versicherungsunternehmens integriert werden. Nachhaltigkeitsrisiken, das sind beispielsweise Umweltrisiken wie der Klimawandel, denn dessen Auswirkungen auf die zukünftige Schadenhöhe und -häufigkeit müssen einkalkuliert werden. Laut der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (kurz: BaFin) sollten diese Risiken von Unternehmen berücksichtigt werden, denn deren Eintreten könnte potenziell negative Auswirkungen auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage sowie auf die Reputation eines beaufsichtigten Unternehmens haben. Integrationsbeispiele sind dabei der Klimaschutz, Steuerehrlichkeit oder Nachhaltigkeitsmanagement durch den Vorstand.
Letztendlich bringt die Nachhaltigkeitsthematik für Versicherungen sowohl Chancen als auch Risiken mit sich. Die Integration des Konzepts „Nachhaltigkeit“ ist jedoch ein aufwendiger und langwieriger Prozess, weshalb abzuwarten ist, wie sehr es die Versicherungsbranche in Zukunft prägen wird.