Von Antonia Ametsbichler, Hannah Bakr, Alisia Beck, Karla Draser, Michael Luginger
Was sind die 5 größten Verursacher der Klimakrise? Laut Lydia-Maria Reismann gibt es auf diese Frage keine Antwort. Wir leben nicht in einer monokausalen Welt, in der man unsere Klimakrise auf nur 5 Ursachen zurückführen und diese dann beheben kann. Lydia-Maria Reismann studiert Medizin und Philosophie an der Universität Regensburg und forscht momentan als Doktorandin über die Zusammenhänge von Klimakrise und Gesundheit. Sie engagiert sich aktiv bei Health for Future und KLUG und ist Mitgründerin vom Netzwerk Nachhaltigkeit in Regensburg.
In ihrem Vortrag „Auswirkungen des Klimawandels auf unsere Gesundheit und die Rolle des Gesundheitssystems“ im Rahmen der Ringvorlesung „Interdisziplinäre Facetten der Nachhaltigkeit“ am 28.04.2021 betonte sie, dass unsere Gesellschaft in Bezug auf Klimaschutz „kein Wissensproblem, sondern ein Umsetzungsproblem“ hat. Viele Menschen fühlen sich von der Komplexität der Klimakrise und der Tatsache, dass sie eben nicht monokausal ist, überfordert, teilweise so sehr, dass sie frühzeitig kapitulieren und sagen „man kann eh nichts mehr tun“. Diese Einstellung bremst den Klimaschutz laut Lydia stark aus.
Deshalb ist für sie ein neues Narrativ unumgänglich: Statt wie bisher das Klischee zu vermarkten, dass wir mit Klimaschutz die Eisbären retten, muss betont werden, dass die Klimakrise uns alle akut betrifft.
Zum einen haben die steigenden Temperaturen sowohl starke direkte als auch indirekte Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit. Sonnenstiche, Hitzeerschöpfungen und Hitzeschläge nehmen zu, da sich unser Körper nicht schnell genug an die plötzlichen Temperaturanstiege anpassen kann. Zoonosen, also Krankheiten, die von Tieren auf Menschen übertragen werden, wie Malaria (z.B. über Mücken) oder FSME (z.B. über Zecken) werden immer häufiger, da die Insekten dank der höheren Temperaturen besser überleben und sich in zuvor kältere Gebiete ausbreiten können. Zum anderen sorgt die abnehmende Distanz zwischen Menschen und Tieren, beispielsweise durch die Zerstörung von Lebensräumen oder die Massentierhaltung, für einen weiteren Anstieg der Zoonosen, sodass mittlerweile 75% aller neu auftretenden Infektionskrankheiten von Tieren auf Menschen übertragen werden, wie auch COVID-19.
Diese und noch weitere gesundheitliche Folgen sind jedoch kein Grund, vor der Klimakrise zu kapitulieren, da der Klimaschutz eine der größten Chancen für die globale Gesundheit des 21. Jahrhunderts darstellt. Durch sogenannte Health-Co-Benefits wirkt sich der Klimaschutz sowohl auf unsere individuelle als auch auf die planetare Gesundheit positiv aus.
Wenn dank Umweltinitiativen mehr Parks und Grünflächen in Städten etabliert werden, sorgt das dafür, dass die Luft besser zirkulieren kann und sich weniger Hitze aufstaut. Dadurch können gesundheitliche Probleme wie Hitzeschläge verringert werden. Weitere Beispiele für Health-Co- Benefits treten dank der vermehrten Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln und Fahrrädern zur Verringerung der Gasemissionen auf, da sich die Menschen dadurch mehr bewegen und einer geringeren Lärmbelastung ausgesetzt sind.
Eine besonders hohe Chance für unsere Gesundheit birgt unsere Ernährung, beispielsweise hat der regionale Kauf von Obst und Gemüse zur Förderung sozialer Nachhaltigkeit auch einen positiven Nebeneffekt für uns, da sich in diesen Lebensmitteln meist mehr Vitamine befinden. Vermehrter
Verzehr von pflanzbasierten Produkten kann zu einer Verringerung der Massentierhaltung führen und somit das Risiko für neue Zoonosen verringern und führt ebenfalls zu einer gesünderen Ernährung.
Ein Beispiel für nachhaltige Ernährung stellt die Planetary Health Diet dar, die zum Ziel hat, eine gesunde und physiologische Ernährung für 10 Mrd. Menschen zu ermöglichen und somit für mehr Gesundheit und den Erhalt der Umwelt zu sorgen. Die Adaption der Planetary Health Diet würde es uns ermöglichen, die planetaren Belastungsgrenzen nicht zu überschreiten und 11 Millionen Todesfälle pro Jahr zu verhindern. Doch dafür braucht es große Veränderungen, beispielsweise im Gesundheitswesen. Derzeit sind nur 4% der deutschen Krankenhäuser für gesundes Essen zertifiziert, hier herrscht somit noch ein hohes Potenzial, auf gesündere Ernährung umzustellen und somit Gesundheit und den Erhalt der Umwelt zu fördern.
Abschließend wird deutlich, dass wir durchaus alle direkt und persönlich vom Klimawandel betroffen sind – und nicht „nur“ die Eisbären. Trotzdem ist ein frühzeitiges Kapitulieren nicht notwendig, da Klimaschutz nicht ausschließlich Verzicht bedeutet, sondern Maßnahmen wie beispielsweise die Planetary Health Diet große Chancen bergen.